Schamgefühl überwinden, Selbstvertrauen gewinnen
Warum ein offener Umgang mit Scham bei Prostatakrebs wichtig ist
Lesedauer: ca. 4 Minuten

Kennen Sie das? Ihnen steigt die Röte ins Gesicht, Sie bekommen heiße Ohren und beginnen zu schwitzen? Das Gefühl, sich zu schämen, ist so gut wie allen Menschen vertraut und ein ganz natürlicher Teil des Lebens. Problematisch wird es, wenn die Scham uns kontrolliert und unser Handeln beeinflusst – das gilt auch für die Krebsvorsorge, Prostatakrebs und seine möglichen Folgen wie Inkontinenz und erektile Dysfunktion. Dann ist es wichtig zu wissen, wie man(n) mit ihr umgeht.
In diesem Blogartikel gehen wir den Ursachen der Scham auf den Grund und geben hilfreiche Tipps, um sie zu überwinden und einen offenen Umgang mit der eigenen Gesundheit zu fördern.
Was genau ist die Scham?
„Scham entsteht, wenn wir auf uns selbst schauen, mit einem kritischen Blick, der uns von anderen antrainiert wurde“, so beschreibt der australische Soziologe und Kriminologe John Braithwaite das Schamgefühl. Dieses kann also durch den Umgang mit anderen Menschen, durch kulturelle Erwartungen oder persönliche Erfahrungen ausgelöst werden. Oft entsteht Scham, wenn wir uns in einer Situation wiederfinden, die nicht mit unseren Werten und unserem Selbstbild übereinstimmt. Das Gefühl kann dann von einer leichten Verlegenheit bis hin zu einer tiefen Demütigung reichen.
Was passiert in unserem Körper, wenn wir uns schämen?
Unser vegetatives Nervensystem besteht aus zwei Teilen: dem sympathischen und dem parasympathischen Nervensystem. Im gegenseitigen Zusammenspiel steuern sie wichtige Funktionen im Körper. Knapp zusammengefasst wirkt der Sympathikus aktivierend (unser Herz schlägt schneller und der Blutdruck steigt), wohingegen der Parasympathikus für Entspannung sorgt. Wenn wir uns schämen, kommt es zu einer Fehlregulation im vegetativen Nervensystem und Sympathikus und Parasympathikus sind gleichzeitig aktiv. Dies bemerken wir, indem bestimmte Körperfunktionen scheinbar verrücktspielen. Wir werden rot, unser Herz rast, während wir gleichzeitig handlungsunfähig und peinlich berührt zu Boden blicken. Die Scham hat uns dann fest im Griff.
Scham und Prostata – enge Verbündete

Bereits die bloße Vorstellung, wie eine Prostatakrebsvorsorge abläuft – oft verbunden mit intimen Berührungen durch den Arzt und der Konfrontation mit der eigenen Verwundbarkeit – kann für zahlreiche Männer schambehaftet und entmutigend sein. Viele Männer neigen dann dazu, einen großen Bogen um die urologische Praxis zu machen und verdrängen die Möglichkeit, von einer Krebserkrankung betroffen zu sein.
Auch bei bereits an Prostatakrebs erkrankten Männern steht die Scham oft im Weg. Es fällt ihnen häufig schwer, offen über körperliche Einschränkungen wie Inkontinenz oder erektile Dysfunktion zu sprechen. Sie befürchten negative Reaktionen seitens ihres Umfelds oder fragen sich, inwieweit sie noch als „echte Männer“ wahrgenommen werden. Dabei gibt es wirksame Behandlungen oder auch Reha-Möglichkeiten, um wieder zu einem normalen Alltag zurückzufinden oder die Symptome zu lindern.
Neue Prostatakrebsvorsorge: Die kleine Hafenrundfahrt fällt aus
Die bestehende S3-Leitlinie „Prostatakarzinom“ wird zurzeit aktualisiert. Darin wird voraussichtlich in Zukunft keine rektale Tastuntersuchung (DRU) im Rahmen der Prostatakrebsvorsorge mehr empfohlen. In unserem nächsten Blogartikel erfahren Sie mehr über die neuesten Entwicklungen und Empfehlungen in der Leitlinie. Seien Sie gespannt!
Negative Auswirkungen von Scham bei Prostatakrebs
Hat die Scham so viel Macht über uns, dass sie unser Handeln bestimmt, sollten wir uns über die negativen Konsequenzen bewusst sein:
Aus falscher Scham schieben Männer die Krebsvorsorge oft hinaus oder verdrängen die Möglichkeit, an Krebs erkrankt zu sein. Dies hat gravierende Folgen, da die Heilungschancen im Frühstadium der Erkrankung wesentlich besser sind. Eine verspätete Diagnose macht die Therapie nicht nur komplexer, die Auswirkungen für den Patienten erhöhen sich auch erheblich.
Die Angst, als schwach oder unzulänglich wahrgenommen zu werden, führt oft dazu, dass sich Männer mit Prostatakrebs von der Außenwelt zurückziehen. Die damit verbundene Isolation und Einsamkeit können zu einem tiefen Gefühl der Verzweiflung führen. Durchbrechen Sie diese Barriere, werden Sie aktiv und nehmen Sie Hilfsangebote aus Ihrem Umfeld wahr.
Wenn ein Partner sich aus Scham zurückzieht, kann das dazu führen, dass die Kommunikation und die Nähe in der Beziehung leiden. Deshalb ist es wichtig, offen zu sprechen, Ängste und Sorgen zu teilen und gemeinsam neue Wege zur Intimität zu entdecken.
Wenn Scham Männer davon abhält, sich mit Inkontinenz und erektiler Dysfunktion auseinanderzusetzen, verbauen sie sich die Möglichkeit, diese Probleme aktiv anzugehen und ihre Lebensqualität zu verbessern. Diese Scham führt häufig dazu, dass sie Hilfsmittel oder therapeutische Behandlungen ablehnen oder nicht in Anspruch nehmen. In der Folge bleiben zukünftige Möglichkeiten für erfüllende und glückliche Momente leider ungenutzt.
Scham überwinden, Selbstvertrauen gewinnen

- Die eigene Scham verstehen: Hinterfragen Sie Ihr Selbstbild und suchen Sie den Grund, warum eine Situation so bedrohlich auf Sie wirkt. Welche Ihrer Erfahrungen in der Vergangenheit könnten dazu beigetragen haben, dass Sie sich gerade so unwohl fühlen?
- Ehrlich sein und Dialog eröffnen: Sprechen Sie mit Ihrem Arzt oder einer Vertrauensperson über Ihre Sorgen und auch über Ihre Gefühle. Urologen haben in der Regel schon alles gesehen – von Sexunfällen bis hin zu komplexen Behandlungsverläufen – und werden Ihre Probleme ernst nehmen und professionell unterstützen. Das Gespräch wird einfacher verlaufen, als Sie vielleicht denken.
- Sich informieren: Wissen ist Macht. Informieren Sie sich über die Erkrankung, die Behandlungsmöglichkeiten und mögliche Folgen. Ein besseres Verständnis kann helfen, Ängste abzubauen und das Gefühl von Scham zu mindern.
- Scham macht sympathisch: In Studien wurde belegt, dass Scham und auch Missgeschicke bei anderen Menschen häufig Sympathie auslösen. Rechnen Sie also mehr mit positiven Reaktionen aus Ihrem Umfeld, wenn sich die Scham wieder sichtbar bei Ihnen meldet.
- Lachen gegen die Scham: Lachen wirkt ansteckend, baut Stress ab und kann peinliche Situationen schnell auflösen.
- Unterstützung finden: Tauschen Sie sich in Selbsthilfegruppen oder mit anderen Betroffenen aus. Das Gefühl, nicht allein zu sein, kann sehr entlastend wirken.
Literatur
https://www.krebsliga.ch/medien/medienmitteilungen/prostatakrebs-kann-einsam-machen
https://www.quarks.de/gesellschaft/psychologie/darum-schaemen-wir-uns/
https://www.asklepios.com/presse/presse-mitteilungen/bad-toelz/jan-2017-prostata~ref=bd9da672-79ef-485a-a6bd-b94f09283cff~
https://www.selfapy.com/magazin/wissen/scham
https://urologische-stiftung-gesundheit.de/kampagnen/prostata-der-wunde-punkt-des-mannes/