Alles auf Anfang?

Berufliche Wiedereingliederung nach dem Krebs 

07.08.2025 I Lesedauer: ca. 5 Minuten

wertvollER: Prostatakrebspatient im Meeting mit Arbeitskollegen

„Endlich wieder arbeiten gehen“. Dieser Satz ist für Männer, die durch Prostatakrebs aus der beruflichen Bahn geworfen wurden, von großer Bedeutung. Er steht für Normalität, finanzielle Sicherheit und das Gefühl, gebraucht zu werden. Obwohl die Motivation meist hoch ist, gestaltet sich für viele Prostatakrebs-Patienten die Rückkehr in den Arbeitsalltag schwieriger als erwartet. Die Therapie hat körperliche und mentale Spuren hinterlassen oder eine dauerhafte Medikamenteneinnahme kann das Wohlbefinden beeinflussen. So ist die Sorge berechtigt, ob Körper und Psyche die Anforderungen des früheren Ganztagsjobs bewältigen können. 
 

Doch wie kehren Sie nach einer Krebserkrankung erfolgreich und ohne Überforderung in den Arbeitsalltag zurück? 
 

Am besten Schritt für Schritt und in Ihrem eigenen Tempo.   
 

Welche Arbeitsmodelle unterstützen die berufliche Wiedereingliederung?

Flexible Arbeitsmodelle ermöglichen es, die Job-Rückkehr individuell zu gestalten und die beruflichen Anforderungen an den aktuellen Gesundheitszustand anzupassen. In der Regel geht der Wiedereingliederung in den Beruf eine ambulante oder stationäre Reha voraus.

 


Stufenweise Wiedereingliederung 


Die stufenweise Wiedereingliederung nach dem Hamburger Modell orientiert sich an Ihrem aktuellen Gesundheitszustand. Voraussetzung für diese Maßnahme ist, dass Sie noch krankgeschrieben, aber wieder teilweise belastbar sind. Gemeinsam mit Ihrem behandelnden Arzt, Ihrer Krankenkasse und Ihrem Arbeitgeber wird ein individueller Stufenplan erstellt. Sie beginnen mit einer geringen Arbeitszeit von etwa zwei Stunden täglich, die stufenweise erhöht wird, bis die vertragliche Arbeitszeit erreicht ist. Regelmäßige Gespräche bewerten Ihre Fortschritte und ermöglichen es, den Plan jederzeit anzupassen. Diese Unterstützung sorgt dafür, dass Sie in einem angemessenen Tempo zurück in den Arbeitsalltag finden, ohne sich zu überlasten. 
 

 

Teilzeit


Durch eine reduzierte Arbeitszeit können Sie sich Schritt für Schritt an den Arbeitsalltag gewöhnen, während Sie gleichzeitig Stress reduzieren und genügend Zeit für Erholung und Selbstfürsorge haben. Teilzeitarbeit hilft dabei, das Gefühl der Normalität zurückzugewinnen und fördert Ihre Anpassung an die neuen Lebensumstände. Allerdings ist die Reduzierung der Arbeitszeit auch mit einem geringeren Gehalt verbunden.

 

 

Umschulung


Wenn Sie aufgrund Ihres Gesundheitszustands Schwierigkeiten haben, in Ihrem bisherigen Berufsfeld zu arbeiten, können Umschulungsmaßnahmen eine gute Lösung sein. Sie bieten die Möglichkeit, neue Fähigkeiten zu erlernen und in einen anderen Berufszweig einzusteigen. Diese Entscheidung eröffnet nicht nur neue berufliche Perspektiven, sondern stärkt auch das Selbstbewusstsein und fördert die persönliche und berufliche Weiterentwicklung. 


 

Mit welchen Hürden muss ich beim Wiedereinstieg in den Job rechnen?

 

Der Wiedereinstieg in den Job nach einer Prostatakrebsbehandlung kann mit einer Vielzahl körperlicher und mentaler Barrieren verbunden sein. Es ist für Ihren weiteren Genesungsprozess wichtig, mögliche Hürden zu erkennen und konstruktiv mit ihnen umzugehen:

 

  • Fatigue: Anhaltende Müdigkeit und Erschöpfung nach einer Krebserkrankung sind keine Seltenheit und können die Leistungsfähigkeit beeinträchtigen.

  • Konzentrationsstörungen: Einschränkungen beim Denken und Fokussieren verringern Ihre Aufmerksamkeitsspanne und können eventuell die Arbeitsqualität mindern.  

  • Inkontinenz: Körperliche Einschränkungen können Angst und Schamgefühle hervorrufen, was das Selbstbewusstsein auch am Arbeitsplatz beeinträchtigen kann.

  • Leistungsdruck: Die Forderung des Arbeitgebers, sofort die gewohnten Leistungen abzuliefern, kann belastend sein und schnell überfordern.

  • Selbst auferlegter Druck: Unrealistisch hohe eigene Erwartungen an die körperliche Leistungsfähigkeit können zu zusätzlichem Stress führen.

     

Welche Rechte habe ich beim beruflichen Wiedereinstieg nach der Prostatakrebs-Therapie?

    Sind Sie aufgrund Ihrer Prostatakrebserkrankung innerhalb eines Jahres länger als 6 Wochen ununterbrochen oder auch wiederholt krankgeschrieben? Dann haben Sie ein Recht auf ein Betriebliches Eingliederungsmanagement bei Ihrem Arbeitgeber. Das BEM hat das Ziel, Ihren Arbeitsplatz langfristig zu erhalten und Überforderungen am Arbeitsplatz zu vermeiden. In dem systematischen Prozess werden Ziele und Maßnahmen wie beispielsweise eine stufenweise Wiederaufnahme der Arbeit (Hamburger Modell), Umgestaltung des Arbeitsplatzes, Teilzeitarbeit oder auch der Wechsel des Arbeitsbereichs besprochen und umgesetzt. 

    Sie wollen trotz größeren Einschränkungen durch Ihre Erkrankung wieder arbeiten? Die berufliche Rehabilitation, in der Fachsprache als „Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben“ bezeichnet, ist eine hilfreiche Unterstützung für Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen ihren bisherigen Beruf nicht mehr ausüben können. Diese Maßnahme bietet eine Vielzahl von Leistungen und Hilfsangeboten, die darauf abzielen, Ihre individuelle Situation in Ihrem bisherigen Arbeitsumfeld zu berücksichtigen oder Ihnen durch Aus- und Weiterbildung neue berufliche Perspektiven zu ermöglichen. 

    Ab einem Grad der Behinderung von mindestens 50 % gelten Sie als schwerbehindert und erhalten Nachteilsausgleiche wie z. B. mehr Unterstützung am Arbeitsplatz, einen höheren Kündigungsschutz und steuerliche Vergünstigungen. Beim Erstantrag reicht die Diagnose „Prostatakrebs“ aus, um den Schwerbehindertenstatus zu erhalten – unabhängig von Ihrem tatsächlichen Gesundheitszustand. Die Feststellung der Schwerbehinderung gilt dann für bis zu 5 Jahre und muss danach neu beantragt werden. 

     

    Wie verhalte ich mich gegenüber Kolleginnen, Kollegen und Vorgesetzten?

     

    „Na, wieder ganz der Alte?“ – sicher nicht, wenn Sie eine Krebserkrankung hinter sich haben oder mit metastasiertem Prostatakrebs leben müssen. Doch wie geht man(n) damit um, wenn die Kollegen gut gemeinte, aber oft unbedachte Sprüche machen oder Fragen stellen? Es ist entscheidend, in solchen Momenten klarzustellen, dass Gesundheit eine Reise ist und kein Ziel. Sie können höflich darauf hinweisen, dass Sie sich noch in einem Anpassungsprozess befinden und sich Zeit nehmen, um schrittweise in den Arbeitsalltag zurückzukehren. Dies fördert nicht nur das Verständnis im Team, sondern zeigt auch, dass es in Ordnung ist, offen über die eigene Situation zu sprechen.


    Ihr Arbeitgeber ist zudem berechtigt, in einem Krankenrückkehrgespräch herauszufinden, ob sich Ihre Erkrankung auf Ihre zukünftige Arbeitsfähigkeit auswirkt. Im Gegensatz zum BEM-Gespräch müssen Sie dieser Einladung nachkommen. Sie sind jedoch nicht verpflichtet dem Arbeitgeber gegenüber Angaben zu Ihrer Erkrankung zu machen. Ist das Verhältnis jedoch vertrauensvoll, kann das Gespräch eine gute Gelegenheit sein, um aktuelle Herausforderungen offen zu teilen. Ein ehrlicher Austausch kann dazu beitragen, dass Ihr Arbeitgeber ein besseres Verständnis für Ihre Situation entwickelt und vielleicht sogar Unterstützung anbietet, sei es in Form von flexiblen Arbeitszeiten oder zusätzlichen Pausen.
     

     

    wertvollER: Prostatakrebspatient telefoniert im Zug

    Wo erhalte ich Unterstützung? 

     

    Es gibt verschiedene Anlaufstellen, die Ihnen bei Fragen rund um die berufliche Wiedereingliederung weiterhelfen. Einen guten Überblick über Ihre Ansprüche erhalten Sie auch in unseren wertvollER TV-Folgen über Sozialleistungen Teil 1 und Teil 2. 
     

    Teil 1 zu Sozialleistungen ansehen

     

    Krankenhaus und Rehabilitation
     

    Bereits während Ihres Aufenthalts im Krankenhaus oder in der Rehabilitation erhalten Sie Unterstützung für die Wiedereingliederung in den Berufsalltag. Ihr behandelndes Ärzteteam, Kliniksozialdienste und Psychoonkologen stehen Ihnen mit Informationen zur Wiedereingliederung in den Beruf zur Seite. Fragen Sie nach und nutzen Sie diese Angebote, um gut vorbereitet Ihre Rückkehr in den Berufsalltag zu planen.
     

    Arbeitgeber


    Je nach Größe des Unternehmens stehen verschiedene Ansprechpartner zur Verfügung, die bei der Wiedereingliederung nach Krankheit unterstützen. Der Betriebsarzt berät u. a. zur Anpassung oder zum Wechsel des Arbeitsplatzes. Er unterliegt der Schweigepflicht, muss jedoch dem Arbeitgeber mitteilen, wenn ein Mitarbeiter nicht arbeitsfähig ist. Personalrat und Betriebsrat vertreten die Interessen der Arbeitnehmer und bieten Hilfe bei Konflikten sowie drohenden Kündigungen. Schwerbehindertenvertreter unterstützen Schwerbehinderte am Arbeitsplatz und sind oft in den Prozess des Betrieblichen Eingliederungsmanagements einbezogen.

     

    Allgemeine Beratungsstellen

     

    • Krebsberatungsstellen: Nutzen Sie hierzu die Adresssuche für Ihren Wohnort. 
      Agentur für Arbeit: Unterstützung bei der Arbeitssuche, Umschulungen, Weiterbildungen und Beratung zur Rückkehr ins Arbeitsleben.

    • Bürgertelefon des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales: Beratung zu Themen rund um das Arbeitsleben, einschließlich Arbeitsrecht, Behinderung und Rente.

    • Gewerkschaften, Berufsverbände und Sozialverbände: Beratung zu arbeits- und sozialrechtlichen Fragen. Beratungsangebote gelten in der Regel nur für Mitglieder.

    • Integrationsamt: Beratung zu Beruf und Behinderung, Unterstützung bei der Arbeitsplatzanpassung und Informationen zu Kündigungsschutz.

    • Versorgungsamt: Prüfung des Anspruchs auf Schwerbehinderung und Nachteilsausgleich.

    • Krankenkassen: Informationen zu Kostenübernahmen für Behandlungen, Medikamente und Pflegeleistungen. Klärung individueller Ansprüche.

    • Gesetzliche Rentenversicherung: Zuständig für Rentenfragen und auch für die Kostenübernahme von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.


    Auch, wenn der Wiedereinstieg ins Berufsleben nach einer Prostatakrebs-Therapie mit Unsicherheiten und Hürden verbunden sein kann – mit der richtigen Unterstützung und einem geeigneten Arbeitsmodell lässt sich auch diese Herausforderung meistern!

     

     


     

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    Dieser Beitrag wurde vom wertvollER-Redaktionsteam ausgearbeitet.

    Literatur

      • https://op.europa.eu/de/publication-detail/-/publication/b6dd313d-8528-11ef-a67d-01aa75ed71a1 (Letzter Zugriff: 25.07.2025)
      • https://www.frauenselbsthilfe.de/infothek/rehabilitation/formen-der-onkologischen-reha/berufliche-rehabilitation.html#:~:text=Um%20die%20berufliche%20Leistungsfähigkeit%20nach,%2C%20unter%20anderem%20Fortbildungen%2C%20sein. (Letzter Zugriff: 25.07.2025)
      • https://www.bar-frankfurt.de/themen/arbeitsleben/berufliche-rehabilitation.html (Letzter Zugriff: 25.07.2025)
      • https://www.deutsche-rentenversicherung.de/DRV/DE/Experten/Arbeitgeber-und-Steuerberater/BEM/bem_index.html (Letzter Zugriff: 25.07.2025)
      • https://www.krebsinformationsdienst.de/alltag-mit-krebs/arbeit-und-beruf (Letzter Zugriff: 25.07.2025)
      • https://www.krebshilfe.de/informieren/ueber-krebs/mit-krebs-leben/sozialleistungen-bei-krebserkrankungen/ (Letzter Zugriff: 25.07.2025)
         

       

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