Gemeinsam stark
Wie Selbsthilfegruppen Prostatakrebspatienten unterstützen
04.09.2025 I Lesedauer: ca. 5 Minuten

Was bedeutet es wirklich, mit Prostatakrebs zu leben? So richtig wissen das eigentlich nur Menschen, die selbst betroffen sind. Mit der Diagnose beginnt für die Patienten eine Zeit tiefgreifender Veränderung – körperlich, emotional und oft auch den Alltag betreffend. In solchen Momenten kann der Austausch mit Gleichgesinnten eine wertvolle Stütze sein. In einer Selbsthilfegruppe (SHG) begegnen sich Menschen, die ähnliche Erfahrungen machen und sich gegenseitig Mut und Kraft schenken.
Damit Sie einen Einblick bekommen, wie eine solche Gruppe funktioniert, haben wir mit Herbert H. (75) gesprochen. Er ist Leiter der Selbsthilfegruppe Prostatakrebs DELFIN g.V. im Landkreis Emmendingen. Herr H. ist selbst Betroffener und war an lokalem, nicht metastasierten Prostatakrebs erkrankt. Seit fast 20 Jahren begleitet die SHG DELFIN Männer mit Prostatakrebs und deren Angehörige auf ihrem Weg mit der Erkrankung.
Was genau ist eine Selbsthilfegruppe?
Eine Selbsthilfegruppe ist ein Zusammenschluss von Menschen, die eine ähnliche Erfahrung teilen. Selbsthilfegruppen treffen sich regelmäßig und werden von einem Gruppenleiter oder einer Gruppenleiterin begleitet. Diese Person sorgt dafür, dass das Gespräch respektvoll und strukturiert verläuft. SHG-Leiter Herbert H. weiß um die Sorgen und Nöte von Patienten mit Prostatakrebs. „Ohne meine damalige Selbsthilfegruppe wäre ich nicht so weit gekommen“, erklärt er seine Motivation, selbst eine Gruppe zu leiten. „Durch die Selbsthilfe und die Empfehlungen meiner Ärzte ist mir die Angst vor Prostatakrebs genommen worden.“
Das Ziel einer Selbsthilfegruppe ist es, Prostatakrebspatienten zu informieren, zu stärken, praktische Tipps zu geben und gemeinsam Lösungen für den Alltag mit Prostatakrebs zu finden. Dabei steht die gegenseitige Unterstützung im Vordergrund – ganz ohne Druck und mit viel Empathie. „Betroffene suchen bei uns erst einmal Verständnis und weitere Informationen“, erklärt Herbert H., „speziell bei Prostatakrebs gibt es viele Tabuthemen.“ Er erklärt: „Wir informieren über Diagnosen, Therapien und Nebenwirkungen aus persönlicher Betroffenheit und erlebter Selbstkompetenz. Unser Hauptanliegen ist die Ergänzung der professionellen Behandlung“.
Welche Arten von Selbsthilfegruppen gibt es?
Selbsthilfegruppen gibt es in verschiedenen Formen und Formaten, die sich an unterschiedliche Bedürfnisse und Lebenssituationen betroffener Patienten anpassen.
Diese Gruppen treffen sich regelmäßig an einem festen Ort, etwa in Gemeindehäusern oder Kliniken. Der persönliche Austausch von Angesicht zu Angesicht fördert Nähe und Vertrauen und ermöglicht direkten Kontakt.
Online-Gruppen bieten flexible Teilnahme von zu Hause aus – ideal, wenn Sie mobil eingeschränkt sind oder in ländlichen Regionen wohnen. Über Videokonferenzen oder Foren können Sie sich jederzeit mit anderen Menschen austauschen.
Diese Gruppen richten sich an Menschen mit einer bestimmten Erkrankung und bieten die Möglichkeit zum Austausch über die Erkrankung, Therapieerfahrungen und Lebensqualität.
Auch Partnerinnen und Partner, Familienmitglieder oder Freundinnen und Freunde finden eigene Gruppen, in denen sie ihre Fragen stellen und Sorgen teilen können.
Die SHG DELFIN ist eine Präsenzgruppe und trifft sich einmal im Monat in einem Seminarraum des Krankenhauses Emmendingen. Regelmäßig finden gemeinsame Aktivitäten statt, wie Gesprächsrunden, Besuche von spezialisierten Krankenhäusern oder organisierte Arztvorträge. Manchmal geht es aber auch gar nicht um das Thema Prostatakrebs und die Gruppe trifft sich zum Wandern oder organisiert Ausflüge – ganz nach dem Motto: Gemeinsam sind wir stark.
Wie läuft ein Gruppentreffen ab?

Herbert H., Leiter der Selbsthilfegruppe Prostatakrebs DELFIN g.V.
Bei der SHG DELFIN geht es locker zu und alle Mitglieder duzen sich. Meistens bilden alle einen Stuhlkreis, damit Blickkontakt zu jedem einzelnen Teilnehmenden möglich ist. Es werden Neuigkeiten ausgetauscht, Erfahrungen berichtet und Fragen gestellt. Herbert H. sieht seine Rolle als Moderator und Informator. „Als Leiter einer Selbsthilfegruppe geht es mir darum, Wissen weiterzugeben und Unterstützung zu bieten. Wir haken aber auch immer wieder nach, was die Mitglieder bedrückt und diskutieren darüber“, erklärt Herbert H.. „Nebenwirkungen sind z. B. ein wichtiges Thema, wenn es um die Therapieoption Chemo oder Bestrahlung geht. Bei einer operativen Entfernung der Prostata geht es den Mitgliedern eher um die erektile Dysfunktion oder Inkontinenz.“ Alle Gespräche finden in einem absolut vertraulichen Rahmen statt und die Teilnehmer verpflichten sich zu Diskretion. Auch Partner und Partnerinnen nehmen regelmäßig an den Treffen teil.
Berührungsängste? Wagen Sie den ersten Schritt!
Viele Gruppen laden zu einer unverbindlichen Schnupper-Stunde ein, bei der ein Interessent einfach nur zuhören und die Atmosphäre kennen lernen kann. Auch ein Gespräch mit der Gruppenleitung vorab am Telefon kann erste Hinweise geben, ob die Chemie stimmt. Vielleicht ist es aber auch ein Gespräch mit dem Nachbar oder einem Freund mit ähnlichen Erfahrungen, der den nötigen Anstoß gibt, Kontakt zu einer SHG aufzunehmen.
Viele Menschen zögern zunächst, sich einer Selbsthilfegruppe anzuschließen – doch gerade hier gibt es wertvolle Unterstützung und Verständnis. Herbert H. bringt es charmant auf den Punkt: „Legen Sie Ihre Scheu ab! In der Selbsthilfegruppe wird nicht „getratscht“. Diskretion ist das oberste Gebot. Informieren Sie sich über Selbsthilfegruppen und probieren Sie es einfach mal aus. Sie werden auch nicht gezwungen, aktiv am Austausch teilzunehmen.“
Wie kann mir eine Selbsthilfegruppe helfen?
Eine Selbsthilfegruppe kann auf vielfältige Weise Unterstützung bieten und helfen, den eigenen Weg mit Prostatakrebs besser zu bewältigen. Mitglieder einer SHG profitieren vom Austausch von Informationen mit Gleichgesinnten sowie praktischen und emotionalen Tipps, die den Alltag spürbar leichter macht. „In einer Selbsthilfegruppe wird Hilfe zur Eigenverantwortlichkeit geboten – man hilft sich selbst.“, fügt der SHG-Leiter an.
Informationsgewinn: In der Gruppe erhalten Sie fundierte Informationen rund um Prostatakrebs, Behandlungsmöglichkeiten und Therapiefolgen – so werden Sie Schritt für Schritt zum Experten in eigener Sache.
Emotionale Entlastung: In der Gruppe können Sie offen über Ihre Gefühle sprechen und erfahren, dass Sie mit Ihren Sorgen nicht allein sind. Das schafft Erleichterung und stärkt die innere Balance.
Erfahrungsaustausch: Sie erhalten wertvolle Tipps und Anregungen von Menschen, die ähnliche Herausforderungen meistern. Das hilft, neue Wege im Umgang mit der Erkrankung zu entdecken.
Stärkung des Selbstvertrauens: Durch die gemeinsame Unterstützung gewinnen Sie Mut und Zuversicht, um den Alltag und die Therapie aktiv anzugehen.
Praktische Hilfen für den Alltag: Ob Fragen zur Krankheitsbewältigung oder zur beruflichen Wiedereingliederung – in einer Selbsthilfegruppe erhalten Sie Informationen und Erfahrungsberichte aus erster Hand.
Aufbau eines unterstützenden Netzwerks: Die Kontakte zu anderen Betroffenen können auch über die Treffen hinaus Halt geben und neue Freundschaften entstehen lassen.
Motivation und Perspektiven: Das gemeinsame Erleben von Fortschritten und Rückschlägen zeigt Ihnen, dass Gesundheit eine Reise ist – und Sie diese nicht alleine gehen müssen.
Grenzen der Selbsthilfe
Selbsthilfegruppen sind eine wertvolle Unterstützung auf Ihrem Weg mit Prostatakrebs, doch es ist wichtig zu wissen, dass sie kein Ersatz für Arztgespräche oder Psychotherapie sind. Entscheidungen rund um Ihre Behandlung sollten stets gemeinsam mit Fachärztinnen und Fachärzten getroffen werden – und niemals unter Gruppendruck oder aufgrund von Meinungen innerhalb einer Selbsthilfegruppe. „Wir informieren über Diagnosen, Therapien und Nebenwirkungen aus persönlicher Betroffenheit und erlebter Selbstkompetenz. Aber wir können und wollen keine medizinische Beratung, keine Heilmittel-Empfehlung und keine Produktwerbung geben”, so Herbert H..
Wie finde ich die passende Selbsthilfegruppe?
Die Diagnose Prostatakrebs bringt viele Fragen und Herausforderungen mit sich. Der Austausch mit anderen Betroffenen kann dabei eine wichtige Unterstützung sein. In Deutschland gibt es zahlreiche Selbsthilfegruppen, die speziell Menschen mit Prostatakrebs und deren Angehörigen zur Seite stehen. Nutzen Sie das Patientenforum oder finden Sie über die Gruppensuche des Bundesverbands Prostata Selbsthilfe e.V. Angebote in Ihrer Nähe. Überlegen Sie, ob Ihnen der persönliche Kontakt in einer Präsenzgruppe wichtig ist oder ob Sie lieber flexibel von zu Hause aus an einer Onlinegruppe teilnehmen möchten. So finden Sie die Selbsthilfegruppe, die am besten zu Ihrer Situation und Ihren Bedürfnissen passt.

Dieser Beitrag wurde vom wertvollER-Redaktionsteam ausgearbeitet.
Literatur
https://menschen-mit-krebs.de/selbsthilfegruppen-patientenverbande/
https://www.krebshilfe.de/helfen/rat-hilfe/selbsthilfe/