S3-Leitlinie Prostatakarzinom

Handlungsempfehlung für Ärzte – Entscheidungshilfe für Patienten 

03.07.2025 I Lesedauer: ca. 4 Minuten

wertvollER: Prostatakrebspatient recherchiert S3-Leitlinie am Laptop

Nach der Diagnose Prostatakrebs befinden sich viele Patienten in einem Ausnahmezustand und sehen sich mit einer Vielzahl von Unsicherheiten konfrontiert. Zu den drängendsten Fragen gehört, welche Therapien notwendig sind, um die Erkrankung erfolgreich zu behandeln oder zurückzudrängen. Aber wer entscheidet über die geeignete Therapie? Gibt es einheitliche Standards und spielen persönliche Präferenzen auch eine Rolle?


In diesem Blogartikel erklären wir, wie Ärztinnen und Ärzte auf Basis der S3-Leitlinie Prostatakarzinom Therapieentscheidungen treffen und wie Patienten aktiv an diesem Prozess mitwirken können. 
 

Was ist die S3-Leitlinie Prostatakrebs?

Die S3-Leitlinie Prostatakarzinom ist eine evidenzbasierte Handlungsempfehlung für Ärztinnen und Ärzte und eine Entscheidungshilfe für Patienten. Sie umfasst den aktuellen wissenschaftlichen Stand zur Diagnose, Behandlung und Rehabilitation von Prostatakrebs und bewertet den Nutzen verschiedener Untersuchungen und Therapien.  Darüber hinaus enthält die S3-Leitlinie wichtige Informationen zur Häufigkeit von Prostatakrebs, Risikofaktoren, psychosozialen Unterstützung und Nachsorge. Für Patienten dient die S3- Leitlinie als fundierte Basis für Arztgespräche und unterstützt dabei, informierte Entscheidungen im Rahmen der eigenen Erkrankung zu treffen. 


Wichtig ist, dass die Leitlinie nicht rechtlich verbindlich ist. Das bedeutet, dass Ärztinnen und Ärzte in bestimmten Fällen von den Empfehlungen abweichen können, wenn sie dies für einen Patienten für sinnvoll halten. 


 

Leitlinienaktualisierung: Die wichtigsten Änderungen (Stand: Juli 2025)

 

Die deutsche Gesellschaft für Urologie hat die S3-Leitlinie Prostatakarzinom aktuell umfassend überarbeitet, um neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen und die Behandlungsstandards zu verbessern. Neben der Aktualisierung von Therapieempfehlungen, die auch neu zugelassene Medikamente einbezieht, gibt es weitere wichtige Änderungen:

 

  • Bei der Früherkennung von Prostatakrebs soll keine digital rektale Untersuchung (Tastuntersuchung) erfolgen – die kleine Hafenrundfahrt fällt in Zukunft aus. Stattdessen soll Männern, die eine Früherkennung wünschen, die Bestimmung des PSA-Wertes angeboten werden. Personen, die aus Scham die Krebsvorsorge gemieden haben, wird damit die Teilnahme erleichtert.
  • Die MRT-Bildgebung gewinnt an Bedeutung und soll bei Verdacht auf ein Prostatakarzinom vermehrt zur Entscheidung beitragen, ob eine Biopsie durchgeführt wird oder nicht. Insbesondere soll bei einem unauffälligen MRT-Befund zukünftig keine Biopsie durchgeführt werden.
  • Bei der Therapie eines lokalisierten Prostatakarzinoms mit niedrigem Risiko wird anstatt lokaler Therapie die aktive Überwachung empfohlen. 
     
Hier geht's zur aktuellen S3-Leitlinie
Stethoskop liegt auf Schreibtisch

Von der Diagnose zur Therapie

Die Festlegung der optimalen Therapie für einen Prostatakrebspatienten erfolgt in einem strukturierten Prozess, der mehrere wichtige Schritte umfasst. Ziel ist es, eine individuell angepasste Behandlung zu finden, die auf den spezifischen Bedürfnissen und Umständen des Patienten basiert.

 

  • Umfassende Diagnostik
    Es gibt unterschiedliche Arten von Prostatakrebs. Wie ein Prostatakarzinom behandelt wird, ist abhängig von der Art, den Eigenschaften sowie der Größe und Ausdehnung des Tumors. Zusätzlich wird der Tumor nach seiner Aggressivität eingeteilt. Dies sind wichtige Informationen, die für die Auswahl der Therapie und den weiteren Krankheitsverlauf entscheidend sind.

 

  • Einbeziehung von Leitlinien
    Operation, Chemotherapie oder Bestrahlung? Die S3-Leitlinie Prostatakrebs gibt Handlungsempfehlungen, mit welchen Methoden und Untersuchungen die Diagnose gestellt und ein Prostatakarzinom therapiert werden sollte.

 

  • Patientenpräferenzen berücksichtigen
    Der behandelnde Arzt sollte die Wünsche und Bedenken des Patienten ernst nehmen. Dies betrifft nicht nur die Wahl der Therapieform, sondern auch Aspekte wie Lebensqualität, mögliche Nebenwirkungen und die persönlichen Lebensumstände des Patienten.

     

  • Tumorboard einberufen
    Nach der Diagnosestellung werden die relevanten Informationen zum Tumor und die Präferenzen des Patienten in einem Tumorboard besprochen. Das Tumorboard – auch Tumorkonferenz genannt – ist ein Treffen von unterschiedlichen Fachärzten wie beispielsweise Onkologen, Chirurgen, Radiologen oder Pathologen. Diese Ärzte arbeiten zusammen, um den Fall eines Patienten zu bewerten und geben eine gemeinsame Therapieempfehlung ab. Das Tumorboard stellt zudem sicher, dass ein Patient nach dem aktuellen Stand der Leitlinien behandelt wird. Wenn Patienten an einer seltenen Form von Prostatakrebs leiden oder die leitliniengerechte Behandlung ausgeschöpft ist, werden sie  dem „Molekularen Tumorboard“ vorgestellt. Ziel dieser Tumorkonferenz ist es, für diese Patienten ein maßgeschneidertes Therapiekonzept auf der Grundlage von molekulargenetischen Informationen zu entwickeln.

    Info: Tumorboards werden nicht an allen Krankenhäusern angeboten. Eine Zertifizierung des Behandlungszentrums durch die Deutsche Krebsgesellschaft stellt sicher, dass ein Patient dem Tumorboard vorgestellt wird.

     

  • Therapie festlegen
    Nach der Besprechung im Tumorboard informiert das Behandlungsteam den Patienten ausführlich über die empfohlenen Schritte. Gemeinsam wird dann die Therapie und deren Beginn festgelegt.

 

 

Informiert und eigenverantwortlich mitentscheiden

Die Einbeziehung von Patienten in die Behandlungsplanung fördert das Vertrauen zum Behandlungsteam und stärkt das Gefühl der Kontrolle über die eigene Gesundheit. Zu Beginn einer Krebserkrankung empfinden viele Patienten jedoch häufig Unsicherheiten und tun sich schwer damit, in den Entscheidungsprozess eingebunden zu werden. Die Vielzahl an medizinischen Informationen und die emotionale Belastung können überwältigend wirken. Doch je länger die Erkrankung andauert und je mehr Erfahrungen mit verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten gesammelt werden, desto wichtiger wird es für viele Prostatakrebs-Patienten, sich aktiv einzubringen. Seien Sie sich deshalb Ihren Möglichkeiten als mündiger Patient bewusst: 

 

    Als Patient haben Sie das Recht, umfassend über Ihre Erkrankung, die verfügbaren Behandlungsmöglichkeiten sowie deren Vor- und Nachteile informiert und aufgeklärt zu werden. Fragen Sie gezielt bei Ihrem Arzt nach, wenn Sie etwas nicht verstanden haben. Sie können auch jederzeit eine Begleitperson in das Arztgespräch mitbringen – vier Ohren hören mehr als zwei. 

    Sie haben das Recht, über ihre Behandlung zu entscheiden und auch Behandlungen abzulehnen, selbst wenn dies medizinisch nicht empfohlen wird. 

    Wenn Sie bezüglich der geplanten Behandlung Bedenken haben, können Sie die Meinung eines anderen Arztes einholen, um zusätzliche Perspektiven zu den angebotenen Behandlungsmöglichkeiten zu gewinnen.

    Beim Shared Decision Making arbeiten Sie als Patient Hand in Hand mit Ihren behandelnden Ärzten, um Informationen auszutauschen und gemeinsam Entscheidungen zu treffen. Dabei findet die Kommunikation auf Augenhöhe statt. Ihr Arzt informiert Sie umfassend über verschiedene Behandlungsoptionen – sei es eine Operation, Hormontherapie oder Bestrahlung – und deren spezifische Vor- und Nachteile. Dabei ist es wichtig, dass Sie den Raum haben, Ihre persönlichen Anliegen, Wünsche und Bedenken offen zu äußern. Diese gemeinsame Entscheidungsfindung kann sowohl zur Patientenzufriedenheit als auch zum Erfolg der Therapie beitragen. 

    Patienten haben das Recht auf den Schutz ihrer persönlichen Daten und auf eine vertrauliche Behandlung ihrer medizinischen Informationen.

    Als Patient können ihre medizinischen Unterlagen einsehen und darauf zugreifen, um besser über ihre Gesundheit informiert zu sein. Lassen Sie sich von Ihren Arztberichten immer eine Kopie ausstellen. 

     

     


     

    Icon Redaktionsteam

     

    Dieser Beitrag wurde vom wertvollER-Redaktionsteam ausgearbeitet.

    Literatur

      • https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/begriffe-von-a-z/l/leitlinien.html#:~:text=Leitlinien%20sind%20systematisch%20entwickelte%20Handlungsempfehlungen,angemessene%20Behandlung%20einer%20Krankheit%20unterstützen.
      • https://www.medmedia.at/spectrum-urologie/molekulares-tumorboard-beim-prostatakarzinom-und-in-der-uroonkologie/
      • https://www.krebsgesellschaft.de/files/dkg/deutsche-krebsgesellschaft/content/pdf/Zertifizierung/Publikationen/Hermes-Moll_K2021_Multidisziplinäre%20Tumorkonferenzen%20in%20Deutschland.pdf
      • https://www.gesundheitsinformation.de/was-sind-leitlinien.html
      • https://www.urologenportal.de/pressebereich/pressemitteilungen/aktuell/wissen-evidenz-und-innovation-in-der-urologie-praesident-gschwend-setzt-schluesselthemen-auf-dem-76-dgu-kongress-07032024-1-1-1-2-1-1-2-2-1-1-1-1-1.html
      • https://www.journalonko.de/news/medizin/s3-leitlinie-prostatakarzinom-aktualisiert
      • https://www.prostata-hilfe-deutschland.de/prostata-news/kastrationsresistenter-prostatakrebs-behandlung
      • https://www.stiftung-gesundheitswissen.de/gesundes-leben/patient-arzt/patient-und-partner 

       

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